Provence

Malaucène

Malaucène ist eine kleine Ortschaft liegt auf 350m am Fuße des Mont Ventoux mit vielen tollen Details. Man muss nur mit offenen Augen durch die mittelalterlichen Gässchen gehen.

Dadurch, dass Malaucène westlich, aber an den Nordenhängen des Ventoux liegt, ist hier das Mirkoklima deutlich anders, als auf der Südseite in Bedoin. Das erkennt man schon an der Vegetation, direkt um Malaucène am Ventoux sieht man keine Weinberge. Malaucène bezeichnet sich selbst als Stadt des „roten Goldes“ der Kirschen.

Was die Landwirtschaft angeht, so ist die Ernte normalerweise 1 Woche später als auf der Südseite. Es gibt hier mehr Niederschlag und die Temperaturen sind etwas niedriger als z.B. in Bedoin.

 

Kirche Saint-Michel
Sankt Michael hat zwei Aufgaben, den Drachen zu erlegen und die Seele zu wiegen, ist sie leicht genug, fährt sie in den Himmel auf, er ist der Schutzheilige des Ortes.

Die Kirche Saint Michel beeindruckt uns in vielfacher Weise durch ihre ungewöhnlichen Details.
Wir sind an schon oft ihr vorbei gefahren, haben sie aber nie als Kirche erkannt. Wenn man auf sie zufährt, erinnert sie eher an einen Teil einer Festung, mit den Schießscharten, Pechnasen und den scheinbar zugemauerten Fenstern, die in Wirklichkeit in die Mauer eingelassene Pfeiler sind.

Was die Geschichte angeht, kann sie durchaus mit dem Kölner Dom mithalten, Ende des 13. Jhd. begann ihr Bau. 1709 ist sie endlich fertig und es dauerte bis Ende des 18 Jhd. bis die Kirche stand, wie in heutiger Form. Durch den Religionskrieg und als Schutz vor den Hugenotten wurden Tore verkleinert und höhere Mauern zur Verteidigung gebaut. Diese nahmen die Stadt trotzdem ein und plünderten. Da sie die Kirche zu ihre Kultstätte machten, ersparte es ihr größeren Schaden.

Erst im 18. und 19. Jhd konnte man sich der Innengestaltung voll und ganz widmen.
Schon bevor wir die Kirche betreten sind wir fasziniert.

Das Tor ist aus Eisenblättern, die gehämmert wurden und mit Stahlnägeln auf dicken Holz befestigt.

Absolut genial, und noch besser, dass das Tor niemand ersetzt hat. Wir sind restlos begeistert. Sie wurde im 15. Jahrhundert zusammen mit den Pechnasen ergänzt.

Auch die Größe innen beeindruckt.

Hier ist nichts tot restauriert. Vielen mag es nicht gefallen, dass die Seiten und Decken noch schwarz sind, vom Ruß vergegangener Zeiten, wir finden es beeindruckend, wie eine Kirche in echt aussieht.

Ganz unauffällig, unter ovalen Steinen befinden sich 59 Gruften.

Die wunderschöne Orgel ist über 250 Jahre alt.

Sie muss über die Jahre ordentlich was mitgemacht haben und wurde erst 1965 wieder in den Urzustand zurückversetzt.

Die Akkustik hier ist mega, leider sind wir nicht so die Sänger und zünden lieber Kerzen an.

Traditonell wird in um die Weihnachtszeit in Südfrankreich eine schöne große Krippe mit Santons, Tonfiguren aufgebaut, die das Landleben darstellen.

Die Kanzel wurde im 19.Jhd von den Handerwerkersbrüdern Charrol aus dem Ort gebaut, nach den Plänen des namhaften Architekten Abbé Pougnet, der über 50 kirchliche Bauten errichtete.

Übrigens, wusstet ihr, dass sich die katholische Kirche in Frankreich nur über Spenden finanziert? Sie bekommen weder etwas vom Staat, sprich Kirchensteuer, noch kommen Geldzuwendungen von Rom.

 

Le Calvaire – die ehemalige Burg oder Gefängnis und Kreuzweg Jesu

Bis zum 18. Jhd stand oben auf dem Safre – Hügel , eine Burg, möglicherweise ein Gefängnis oder nur ein Wachtum. Er gab der Stadt ihren Name Safre „Malaussena“, was auf Provencalisch soviel heißt, wie „umgeben von Wällen und einem Gehweg“.
Nun ist dort ein schöner Platz, der nicht nur zum Verweilen unter Olivenbäumen einlädt oder zum Rundumblick auf Malaucène und die Umgebung, sondern seit 1828 kann man den Kreuzweg Jesu nachgehen. Um 2008 wurden die Nischen mit Interpretationen aus Keramik von Luc Ta-Van-Thinh erneuert.

Der Weg zum Kreuzgang beginnt unten, im Sonnenarmen Teil der kleinen Gässchen, je höher man hinaufsteigt, desto interessanter wird die Aussicht. Nicht nur die Weitsicht in den Norden, die bewaldeten Hügel der Region Drome kann man genießen. Durch die Höhe sieht man auch hinter die Kuslissen, oder besser die Gärten, Dächer und verfallenen Mauern.

Im unteren Teil des Felsen sind Höhlen und Nischen herausgeschlagen, die uns an die Höhlenwohnungen auf Malta erinnern.

Mich faszinieren die alten Wege der Altstädte immer wieder , wie die Steine gelegt wurden, mit Wasserablauf und Treppen. Einfach toll.

Der Glockenturm im Inneren der befestigten Stadt diente nicht nur als Wachposten, sondern man konnte die Bevölkerung der Stadt in ihre Häuser zurückholen, wenn Gefahr im Verzug war. Heute hat er eine Uhr und schlägt die vollen Stunden.

 

Chapelle Notre-Dame-du-Groseau

Die Kapelle ist das Überbleibsel eines Klosters, das 685 gebaut, dann 54 später eingerissen wurden und schließlich knapp 300 Jahre später, 1032, wieder aufgebaut wurde. Ab 1309 verbringt Papst Clemens V. hier seine Sommer, denn die prächtigen Papstpaläste von Avignon gibt es noch nicht. Das Kloster wird  erweitert und verschönert.

Die Chapelle sind eigentlich 2 Kapellen, eine kleinere aus dem 11. Jhd und die Hauptkapelle aus dem 12. und 13. Jhd.  Im Spätmittelalter zogen die Mönche weg und die Krisen und Religonskriege führte zu Verfall des umliegenden Klosters. Übrig bleibt nur die Kapelle(n)
Schon 1853 wurde sie unter Denkmalschutz gestellt und von außen renoviert, kurze Zeit später wurde es offiziell wieder als Gotteshaus anerkannt, als „Notkapelle“.

Interessant ist, dass 1873 eine Wallfahrt mit 6000 Katholiken stattfand, die die Monarchie wieder herstellen wollten. Aber, die Republik gewinnt und 1905 werden Staat und Kirche offiziell getrennt.

Sie Kapelle ist schon vor der Eröffnung der Straße über den Ventoux 1932, ein Anziehungspunkt für Touristen.

Malaucène profitiert heute in besonderer Weise von dieser Strasse, denn bei der Tour de France gehört die Strecke über den Ventoux zu den Highlights der Tour. Malaucène ist dann der erste Ort nach der Abfahrt und das Ziel der Etappe. 2021 musste der Ventoux sogar 2x von den Radlern bezwungen werden.

Eine Besonderheit von Malaucéne ist sein kleines Flüsschen Groseau (übersetzt großes/starkes Wasser) das sich aus dem Regen und Schnee des Ventous speist und auch im Sommer nicht versiegt, deren Quelle befindet sich unweit der Kapelle Notre-Dame-du-Groseau. Schon die Römer wussten um die ergiebige Quelle und bauten im 1. Jhd. Kanäle und ein 10 Kilometer langes Aquädukt, um Vaison-la-Romaine mit Wasser versorgen zu können.

Im 16. Jahrhundert erfuhr Malaucéne einen großen Umbruch, Wein und Ackerland wurden begrenzt, zugunsten von Safran und Luzerne (heute eine Futterpflanze, die Soja für die Tierhaltung ersetzt)
Wie die umliegenden Dörfer auch, wird überall entlang der Straßen der weiße Maulbeerbaum angepflanzt, um Seidenraupen füttern zu können. Es wurden eigens Maulbeerblattmärkte eröffnet. Die Zucht von Seidenraupen ging bis ins 20.Jhd. Auch in Malaucène gab es eine Seidenspinnerei.

Und in der Mitte des 16 Jhd. gab es einen großen Fortschritt, dank des Groseau. Er wurde kanalisiert und die erste Papierfabrik und Ölmühle wurden an seinen Ufern erbaut.

 

Nach einem Jahrhundert Stillstand und Vernachlässigung erhält das Dorf sein Gesicht, das es heute noch hat, die Stadttore werden erweitert, Platanen werden gepflanzt und ein Dorfplatz errichtet, sowie die meisten Wohnhäuser darum.

Im Zeitalter der Industrialisierung verändert sich viel in dem kleinen Örtchen. Und der Groseau hat besonders viel Einfluss, im wahrsten Sinne des Wortes. Es werden Stadtmauern ganz abgerissen und Sackgassen zu Durchgangs“straßen“ und es entstehen mehrere Brunnen mit Waschstellen.

Und Malaucène wird tatsächlich zu einer „Industriestadt“. Ein Dutzend Farbriken entstehen an dem Flüsschen, es gibt Mehl- und Ölmühlen, Walkereien, Spinnerein für Seide, eine Kupferschmiede und Papierfabrik.

 

Ab 1890 versorgt ein kleines Wasserkraftwerk die Stadt mit Strom.

Heute sind nur noch Ruinen übrig, selbst von der einst großen Papierfarbik, die erst im Jahr 2008 geschlossen wurde. Sie war auf das Papier von Zigarettenfilter spezialisiert. Heute ein Zwischending zwischen unverantwortlicher Resourcenverschwendung und Platz für mutwillige Zerstörung.

Die Haupteinnahmequelle von Malaucène ist heute der Tourismus, allen voran den Radfahrern, aber auch anderen die den Mont Ventoux in jedweder Form bezwingen wollen.

 

Quellen:

www.malaucene.fr
www.au-fil-du-groseau.fr
http://jean.gallian.free.fr/carb2/premier.html

 

 

 

 

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