Provence

Mont Ventoux

Die Provencalen lieben ihren Ventoux, den sie liebevoll den „glatzköpfigen Berg“ nennen und uns begeistert er auch immer, sobald man ihn am Horizont entdeckt, weiß man, bald sind wir in unserem anderen „zuhause“. Er und seine Geschichte sind so interessant, dass wir einfach ein bisschen zusammengetragen haben.

Der 1912m hohe beeindruckende Berg, Riese der Provence, mit der weißen Kieskuppe und im Winter Schneekuppe und dem weißen Turm, könnte von den Kelten seinen Namen haben.

„Ven-Top“ bedeutet schneebedeckter Gipfel. Oder er kommt von „Gottheit der Gipfel – Vintur“ aus dem 1. oder 2. Jahrhundert, dem die Menschen huldigen mussten und dazu das Vorgebirge bestiegen. Um nur zwei Möglichkeiten seines namentlichen Ursprungs zu nennen.

Der erste bedeutende Erklimmer war Pétrarca 1336, provencalischer Dichter aus Malaucène, der ob der überwältigenden Aussicht über Alpen, Mittelmeer, Rhone und Durance die Strapazen des Aufstiegs und verzaubert war. Im 19. Jhd unternahm Frederic Mistral eine Nachtexkursion um den Sonnenaufgang zu beobachten und war hin und weg.

Und so erging es auch uns… Wenn man seine karge Kuppe erreicht hat, dann hat man das Gefühl, es könnte auch der Mond sein. Die Unmenge an Touristen und Sportlern, gepaart mit dem kalten Wind, holen einen jedoch gleich wieder in die Wirklichkeit zurück. An über 240 Tagen im Jahr gibt es hier den kalten Nordwind Mistral, der bis zu 150kmh stark sein kann.
Um meteorologische Daten sammeln zu können, wurde 1882 ein Observatorium gebaut, das noch vor dem 1. Weltkrieg außer Betrieb genommen wurde. Im dem Observatorium wurden im 19.Jahrhundert sogar die Eier der Seidenraupen überwintert, die man seit ein paar Jahrhunderten für die Seidenproduktion in der Gegend brauchte.
Blick Richtung Drome

Erst 1960 bekommt er weiteren Turm, in dem 68 wieder ein meteorologisches Observatorium seinen Dienst aufnahm. Der 40m hohe Turm mit 20m hoher roter Antenne für TV und Radio und zur Flugsicherung, deren Reichweite bis zu 90km beträgt, ist weithin zu sehen.

Es gibt kaum einen Berg, der so leicht zu erkennen ist, wie der Ventoux, mit seinem Turm und der „Glatze“. Selbst wenn es leicht bewölkt ist, erkennt man ihn, denn er trägt die Wolken wie einen Hut „un chapeau“. Gut 200 Tage im Jahr soll der Gipfel in den Wolken sein.
Er hält die Wolken und das schlechte Wetter tatsächlich ab. In der Gegend um Carpentras regnet es deutlich weniger als auf der Rückseite des Ventoux.
Richtung Carpentras

Wie die meisten kahlen Landschaften unserer Erde , war auch der Ventoux einst bewaldet. Das Holz wurde zum Schiffsbau in Toulon und für Kohle benutzt und erst durch die Wiederaufforstung im 19. Jahrhundert wurde er zu dem „Wald“, wie wir ihn kennen. Besonders hervorzuheben sind die Zedern und die Trüffeleichen, unter den vielen unterschiedlichen Bäumen. Zum einen wurde er zum heute größten zusammenhängenden Zedernwald Frankreichs und zum anderen zu dem „Erntegebiet“ des beliebten Trüffels. Mittlerweile verschiebt sich die Vegetationsgrenze nach oben. Wo früher alles kahl war, wachsen heute wieder Büsche.
Bei den Einheimischen sind die Wälder zu Füßen des Ventoux besonders im Sommer beliebt, da gibt es viele nette Plätzchen, die zu einem Picknick oder Päuschen im Schatten einladen.

Auch das Wild liebt den Wald am Ventoux. Zu bestimmten Zeiten wird es Jägern gestattet, dort vorallem Wildschweine zu jagen. Ansonsten ist es dort verboten herumzufahren.

Im Winter gehört der Ventoux den Skifahrern und man kann nicht auf den Gipfel fahren. Ab dem Chalet Reynard, der Talstation wird gesperrt, sobald Schnee fällt. Übers ganze Jahr kann man dort ordentlich zu einen vernünftigen Preis den ´plat du jour´ essen.

Die Auffahrt auf den Gipfel ist vor allem von Bedoin aus ein Erlebnis.
Während man unten noch schwitzt, kann es oben fürchterlich kalt sein. Die Radfahrer, die den berühmten Berg der Tour de France erklimmen, kommen hier an ihre Grenzen. 1600 Höhenmeter sind zu erklimmen mit durchschnittlich 7,5% Steigung, maximal 12% in 21,6 km, vor allem die letzten Kilometer vor dem Gipfel sind extrem, extremer Wind, extreme Sonne und immer extremere Steigung.

Laut unserem Freund fliegt hier im Sommer einmal pro Woche der Helikopter um die übermotivierten und untertrainierten Sportler zu retten. Es gibt jährlich mehrere Herzinfarkte wegen Überbelastung auf der Strecke. Der erste bekannte Tote ist Tom Simpson, dessen Mahnmal heute noch mit Blumen Respekt gezollt wird. Er starb an einem Herzinfarkt bei de Tour de France 1967, 2,5km unter dem Gipfel. Er hatte wohl zu viel Alkohol und Aufputschmittel genommen.

Es gibt aber auch eine „gemütliche“ Strecke mit nur 3,5% und 19km von Sault aus zum Chalet Reynard, der Gipfel-Kampf bleibt aber der gleiche. 2021 mussten die Fahrer der Tour de France beide Anstiege meistern und 2x den Ventoux bezwingen.

Mein Adrenalinspiegel wurde auch überbelastet, aber nicht wegen mir, sondern wegen der Auf- und Abfahrt im Auto. Bergauf gibt unser Freund mächtig Gas und schwärmt von den Autorennen am Ventoux. Mir wird beinahe schlecht und Volker ist begeistert, die 12% nimmt der klapprige Kastenwagen mit ächzen.
Bergab ist es noch viel unglaublicher, mir rutscht das Herz in die Hose, als wir mit 80 am Limit die Kurven nehmen und sich ein Radfahrer in unseren Windschatten setzt. Nicht auszudenken, was da passieren kann. Es ist März und die Straßen sind wahrlich noch nicht frei von Dreck und Steinen. Ich bin wirklich froh, als wir und der Radfahrer heil in Malaucène ankommen und es gemütlich zurück geht.
Vielen Dank Lulu für das tolle Erlebnis und die vielen Informationen

Nicht nur die Tour de France, sondern auch Autorennen haben hier Tradition. Die Strecke von Bedoin aus zum Gipfel wurde 1882 eröffnet, wahrschein mit dem Bau des Turmes, aber erst 1934 geteert. 1932 wurdie Straße von Malaucène eröffnet. Schon 1902 wurden sogenannte Bergrennen gefahren. Ein   Oldtimer Club benennt sich sogar nach „den 7 legendären Kurven“ des Ventoux. „Ecurie des 7 virages“

Heute gibt es ein Bergrennen der anderen Art. Am 25.9.2022 soll wieder, wie schon Jahre zuvor, eine Bergfahrt mit historischen Autos oder Motorrädern stattfinden. Es ist kein Wettrennen, sondern ein Erfahren seines Oldtimers am Limit. Die Strecke wird für die Fahrer gesperrt und endet am Chalet Reynard.
Mitmachen darf jeder kostenlos, der ein mindestens 25 Jahre altes seltenes Gefährt mit Charakter hat und einen Covid Gesundheitspass 😉

Aber nicht nur für Sportler, sondern auch für Sternegucker, Tier- und Vogelbeobachter und Politik Interessierte und Schlemmer hat der Ventoux was zu bieten:

– Der Niederschlag am Ventoux fließt unter anderem, auf der anderen Seite in die Quelle des Groseau und auf der anderen Seite in den „Brunnen des Vaucluse – Fontaine de Vaucluse“, so etwas wie der Blautopf bei uns in Blaubeuren.

– Seit dem Mittelalter weiden Schafe auf den Hängen des Ventoux, heute sind viele ihrer Wege zu Wanderwegen geworden.

– Im 17. bis 19.Jhd waren „Eisbauern“, besonders Einwohner aus Bedoin, am Ventoux aktiv. Es wurde Schnee gesammelt und in Hohlräumen/ Gräben eingelagert, um im Sommer Eis „ernten“ zu können. Es diente nicht nur der Herstellung von Eis/Sorbet, sondern auch der Konservierung von Leichen. Im Sommer 1719 erreichten von 45 Tonnen, die den Ventoux verließen, noch 22 Tonnen Eis die Stadt Montpellier. Geliefert wurde nachts, in einer Nacht erreichte man Carpentras oder Avignon, Nimes in 2 und Montpellier in 3 Nächten. Mit dem künstlich hergestellten Eis werden die Eisbauern ihre Arbeit ab 1890 los.

– Es wird reichlich Trüffel geerntet, der auf dem berühmten 1000 Jahre alten Markt von Carpentras jeden Freitag während der Trüffelsaison verkauft wird.

– Im 2.Weltkrieg wird er ein wichtiger Ort für den Widerstand.

– Es gibt eine Vielfalt an Vögeln und anderen Waldbewohnern, die geschützt sind.
-von 1971-1996 waren nicht nur bei Staint Christol, sondern auch auf dem Ventoux Abwehrraketen mit atomaren Sprengköpfen in großen unterirdischen Silos verborgen, die 24h 365 Tage im Jahr zur Verteidigung der französischen Territorien dienen sollten. Diese ließ President Chirac nach dem Fall der Berliner Mauer wieder abbauen und die Silos zubetonieren.

Heute sind nur noch Betonflächen auf dem Ventoux zu sehen, die in dem Grau des Kalksteines fast nicht auffallen. Unterirdisch sind alle Silos aber noch  mit kilometerlangen Tunnels verbunden, in denen sogar Züge fahren. Gehörte einst zum Militär dazu, wird es heute für die Forschung benutzt… Auch der zugehörige militärische Standort bei Saint Christol wird heute vielfältig genutzt, von der Stationierung der Armee und Fremdenlegionären, über Abhöranlagen und Weltraumüberwachung mit riesigen Antennen, bis hin zur wissenschaftlichen Forschung.

Noch mehr Info auf
https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Course_de_c%C3%B4te_du_Mont_Ventoux
https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Mont_Ventoux
https://www.agendaautomoto.fr/montee-historique-mont-ventoux/
https://www.ventouxprovence.fr/mont-ventoux-une-destination-a-decouvrir/pays-de-sault-la-nature-pour-heritage/les-grands-espaces-du-plateau-dalbion.html
https://www.defnat.com/e-RDN/affiche_breve.php?cid=397
http://villagemalaucene.free.fr/malaucene_mont_ventoux.htm
https://www.parcduventoux.fr/le-ventoux/un-peu-dhistoire/
https://ecuriedesseptvirages.pagesperso-orange.fr/

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert