1. ARTonTour,  Frankreich,  Occitanie

Usèz

Usèz, eine kleine aber sehr feine Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern zieht einen sofort in seinen Bann. Usèz liegt im Departement Gard, in Occitanien und doch noch in der Provence, dennoch könnte man meinen in der Toskana gelandet zu sein und nicht in der Nähe Nimes oder Avignons. Das Wahrzeichen der Stadt ist nämlich der Turm Fenesterelle, der den italienischen Rundtürmen, vor allem an den schiefen Turm von Pisa erinnert.

Egal wer Usèz besucht, jeder findet etwas nach seinem Gusto. Sei es die Geschichte, Theologie, Bauwerke, Kunst, Literatur oder alles was durch den Magen geht. Hier wird jedweder Hunger gestillt.
Uns faszinieren sie, die mittelalterlichen Städte mit den Gässchen und dem Kopfsteinpflaster, wo es so vieles zu entdecken gibt.

Geschichte
Seit mehreren tausend Jahren spielt die kleine Stadt doch eine sehr bedeutende Rolle.

Kleine Stadt auf einem natürlichen Plateau
Auf dem Plateau, auf dem Usèz errichtet worden ist, haben schon die Kelten viele viele Jahre vor unserer Zeitrechnung gelebt. Sie hatten sich hier niedergelassen, sicherlich um vom Wasser im Tal der Eure zu profitieren. Es gibt etliche Funde von Menhiren im Großraum Usèz.

Unlängst, 2019, fand man, beim Bau einer Straße, unter einem Acker einen riesigen Steinkreis „Le pas du Loup“ von ca. 2500 v.Chr. mit etwa 50 Menhiren bis zu einer Höhe von 3,80m, in einem Durchmesser von 76 Metern. Sogar ein Statuen Menhir, der eine Person darstellen soll, befand sich unter den Hinkelsteinen. Ein Teil Steine wurde ausgegraben, da die Straße fertig gestellt werden musste und an einen unbekannten Aufbewahrungsort gebracht.
Photo de service régional de l´archéologie d´Occitanie

 

Die Stadt Ucetia, wie Usèz damals hieß, war schon im 5.Jhd. v.Chr. Handelszentrum und Knotenpunkt eines regen Verkehrs. So wurden Steuern erhoben, unter anderem von den Griechen, die aus den Cevennen ihre Minerale und Rohstoffe holten, die sie für ihre Industrie brauchten. Um und in Utecia entstanden erste kleine Industriestätten, Töpfereien, Tuchmacher, es konnten Lebensmittel verkauft werden. Der Einfluss der Griechen durch und mit Kunst, Religion und Schrift ist nicht zu unterschätzen.

Großen Ausgrabungen zufolge war Ucetia schon im 2.Jhd v.Chr. eine lebhafte Stadt, mit allem, was eine römische Stadt so ausmachte, Brunnen, Heizungen, Wohnanlagen, Mosaike…. Im letzten Jahrzehnt wurden mehrere Mosaike bei Bauarbeiten gefunden und freigelegt.

Während der Zeit der Römer um das Jahr 0, wurde Usez, bzw. das Tal der Eure zu dem wohl wichtigsten Teil der Gegend, denn aus dem klaren Fluss Eure wurde das 50km lange Aquädukt nach Nîmes gespeist. Es war der Anfang einer technischen und baulichen Meisterleistung, deren Bau es erst ermöglichte Nîmes zu dem zu machen, was die Römer von einer Stadt erwarteten. Noch heute 2000 Jahre später können wir viele der Überreste bewundern, die das Aquädukt ausmachten. Am bekanntesten ist der Pont du Gard.

In den folgenden 2 Jahrtausenden war Usez geprägt von einem auf und ab, florierenden Geschäften, Reichtum, dem Bistum, der Religion, Kriegen, Zerstörung und dem ersten Herzogtum Frankreichs und etlichen Revolutionen.

Besonders die Religionskriege setzten Usèz und Umgebung zu, denn Usèz war im 16.Jhd protestantisch und somit dem König ein Dorn im Auge. Die Kathedrale wird beinahe komplett zerstört. Louis VIX verbietet die reformierte Religion und widerruft das Edikt von Nantes. Somit müssen die Protestanten konvertieren oder in andere Länder Europas fliehen. Doch die Einwohner lassen sich nicht unterkriegen. Immer wieder wurde die Stadt und ihre Kirchen wieder aufgebaut, erweitert und modernisiert.
Eine große Rolle spielte dabei der Bischof Bauyn im 18.Jhd, der unter anderem die Eglise St. Etienne errichten ließ.

Bistum Usèz
Im 5. Jahrhundert wurde Usèz zum Bistum ernannt und bis sie 1801 zu einer „normalen“ Kirchengemeinde wurde, hatte es 193 Pfarreien in und war damit eines der größten im Süden Frankreichs.

Die Ernennung zum Bistum geschah wohl, um sich nicht nur gegen die Römer schützen zu können, denn die Bischöfe waren zu der Zeit nicht nur religiös, sondern auch weltlich sehr bedeutend und somit auch Beschützer der Stadt. Den Status der Bischöfe erkennt man an ihren Rechten, denn sie prägten hier in diesem Haus über Jahrhunderte Münzen und hatte die Rechtssprechung inne.

Der heilige Firmin, Saint Frimin 516-553, einer der ersten Bischöfe, ist bis heute Schutzpartron der Schwachen, seine Gebeine liegen auch in der Kathedrale Saint Theodorit. read more

Diese Kathedrale aus dem 17. Jhd. mit ihrem „italienischen“ Rundturm ist heute das Wahrzeichen der Stadt. Bis vor einigen Jahren wurde ihm zum Gedenken sogar eine „foire“ Fest mit Markt am 11.Oktober abgehalten.
Die anderen Wahrzeichen und Erkennungsmerkmale sind die 3 Türme der Stadt: Turm der Bischöfe, Turm des Königs und der Turm des Herzogs (Turm Bermonde)

Das 1. Herzogtum Frankreichs
Usez wurde zum ersten Herzogtum Frankreichs ernannt. Nachdem das Languedoc (der Südwesten Frankreichs) 1229 dem Königreich Frankreich angeschlossen wurde, wollte 1565 sicher gehen, dass die Familie auch der Krone loyal bleiben würde und ernannte sie kurzerhand in den stand eines Herzogtums, dem ersten in Frankreich…. Worauf man hier heute noch stolz ist.Der Wohnsitz der herzoglichen Familie, die Burg ist immernoch mitten im Zentrum der Altstadt, gleich gegenüber dem Rathaus. Die Familie bewohnt die Burg seit 1000 Jahren.

 

Die Altstadt
Nicht nur das Herzogtum (le duché) ist vom Mittelalter geblieben, auch etliche Straßennamen, wie Place du Duché, Rue du Salin (Salzstraße), Rue de l´Epée (Straße des Schwertes), Rue entre les Tours (Straße zwischen den Türmen), Rue Pelissier (Straße der Pelzmacher), Rue Jaque le Puisatier (der Brunnenbauer), Place Belle Croix oder Place aux Herbes „Kräuterplatz“.

Märkte
Auf dem „Kräuterplatz“ findet seit 1241 jede Woche der Markt statt. Seit neuester Zeit 2x die Woche, Mittwochs (kleinerer Erzeugermarkt) und der typische französische große Markt Samstags mit bis zu 200 Ausstellern. Er gilt als  einer der schönsten im Süden, unter den Platanen auf dem Marktplatz und in den Gassen der Altstadt.

Trüffelliebhaber kommen hier von Mitte November bis Mitte März voll auf ihre Kosten, denn es dreht sich alles um den schwarzen Diamanten. Der Höhepunkt ist die Woche des Trüffels am 3.Wochenende im Januar mit Markt, Ausstellungen, Verkostungen, Gerichte und sogar geführte Spaziergänge in die Trüffelfelder werden angeboten.

Im Mittelalter gab es bestimmt wie z.B in Caromb im Vaucluse auch einen Markt für Maulbeerblätter, Seidenraupen und Seide. Denn auch hier haben die Menschen von den Seidenraupen und der Seidenspinnerei gelebt. Jede Familie hatte einen Maulbeerbaum, um die gefräßigen Tierchen zu füttern und die Stadt war bekannt für die Produktion von Seidenstrümpfen. Seit dem 15. Jhd. gab Mühlen und die Produktion von Kleidung und Tüchern aus Wolle, Seide und Leder war ein wichtiger Arbeitgeber. Im 19Jhd. lebten noch ca. 2000 Menschen von der Seide. Eine Krankheit des Seidenwurms traf auch Usèz schwer.

 

Umgeben von Schönheit und Leckereien
Die Lage um Uzès ist herrlich umgeben von Oliven- und Eichenhainen, Pfirsich- und Aprikosenbäumen und natürlich Weinbergen.  Überall auf den Feldern stehen auch hier die kleinen Steinhäuschen, hier „Capitelle“ genannt, in der Provence heißen sie „bories“. Seit 2013 ist der Wein sogar AOC des Herzogtums Uzès. 10.000 Hektoliter werden rund um Uzès pro Jahr produziert, führend sind sie in der Weißweinproduktion des Rhônetals.

 

Jean Racine
Im kleinen „Palais de Racine“ mit Blick auf das Tal der Eure wohnte einst einer der bekannten Protégés von LouisXIV, Jean Racine, allerdings noch bevor er an den Hof des Sonnenkönigs kam. Als 22 Jähriger sollte er sich in Usèz in der Nähe der Mutter und des Bruders, mithilfe des Onkels auf die Religion besinnen, die ihn ernähren könnte, anstattdessen machte er eine Kehrtwende und entschied kein christlicher Gelehrter zu werden, sondern das zu machen, was er schon immer gern tat, Schreiben. Gefördert von Ludwig XIV dem Sonnenkönig, wurde er einer der wichtigsten Schriftsteller der französischen Klassik und deren größter Tragödienautor und verdiente gut dabei. Später wurde er sogar zum königlichen Chronisten von Louis XIV ernannt und musste ihm durch die Feldzüge folgen, was ihn später wieder zu seinen christlichen Wurzeln zurück führte.

 

Lakritze
Wurzeln spielen in mehrerlei Hinsicht ein wichtige Rolle für Usèz, nicht nur in Form von Trüffeln, die die Wurzeln der Eichen brauchen, sondern auch die Süßholzwurzeln. Lakritze wird aus der Süßholzwurzel gewonnen.
Mitte des 19.Jhds war Lakritze nicht nur als Medizin wichtig, sondern eroberte als Leckerei die Gaumen der Franzosen. Durch die Gründung einer Lakritzfirma 1862 von Henri Laffont wurde Uzes zum Dreh- und Angelpunkt der Lakritzindustrie. Sie lieferten nach Spanien, Italien und sogar in den Orient ihre leckeren Heilmittel lieferten. Die Franzosen lieben „reglisse“ von Ricqules-Zan, die 1970 fusionierten. 1986 kaufte Haribo diese Marke und heute noch werden in Usez Leckereien produziert. Es gibt mittlerweile sogar einen Park für Kinder vor den Toren von Usez.

Apropos Tore und Türen
wer die unterschiedlichsten Türen und Tore aus Holz oder Metall, groß und klein, mit ihren Einfassungen aus Holz oder Stein liebt, kann in der Altstadt seine Speicherkarte füllen…hier eine kleine Auswahl

Stadt der Kunst und der Geschichte
Aber selbst wenn man weder Trüffel noch Lakritze mag, kann man Usez genießen. Beim Bummeln durch die Altstadt kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sei es man verweilt in einem Cafe, schlendert über einen Markt, kleidet sich in einer netten Boutique schön ein oder stillt seinen Hunger nach Kunst in einer der unzähligen Galerien und Läden von Künstlern. Usez darf sich nicht umsonst seit 2008 „Stadt der Kunst und Geschichte“ nennen.

Wir haben an einem verregneten Tag im Oktober Usez Luft geschnuppert und wir werden wieder kommen, es gibt noch so viel zu entdecken und herauszufinden. Große Flächen wurden aufwendig restauriert und renoviert.  Nicht zu viel, gerade so, dass es nicht auffällt, dass vieles neu gemacht ist. Manches ist in charmantem nicht renoviertem Zustand. Wie das alte Posthaus und die Mairie. In Kombination wunderschön.

 

Wir freuen uns schon. Vive la France.

Natürlich kann man noch viel mehr und detaillierter über Usèz erzählen, ich habe die für mich interessantesten Geschichten, Daten und Fakten zusammengetragen.

Dazupassend Halskette aus maltesischen Stein. Read more

 

2 Kommentare

  • ARTelier-Hauswirth

    Freut uns wenn dir unsere Berichte gefallen.
    Demnächst gibt es neue. Wir sind schon in Vorbereitung um wieder auf große Fahrt zu gehen. Diesmal mit großer Werkstatt.

  • Michael

    Tja, leider bin ich einer von denen, die Lakritz absolut gruselig finden. Sorry!
    Deshalb meinen umso größen Dank an die vielen Hintergrundinformationen und Bilder.

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